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Völkermord verjährt nicht!

Am 30. September 2011 wurden in der Berliner Charité die Gebeine von 20 Herero und Nama – Männer, Frauen und Kinder, die vor mehr als 100 Jahren von weißen Deutschen ermordet wurden – an ihre aus Namibia angereisten Nachfahren übergeben. Es war das erste Mal, dass sich eine deutsche Institution zu einer solchen Herausgabe bereit erklärte. Noch lagern hierzulande Tausende von Gebeinen, die während der Kolonialzeit nach Deutschland verschifft und für menschenverachtende, rassistische und pseudowissenschaftliche Forschungen missbraucht wurden, welche die Gleichwertigkeit von Afrikanerinnen und Afrikanern mit weißen Frauen und Männern negierten. Die Deutsche Bundesregierung entzieht sich ihrer historischen Verantwortung als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Zwar räumt sie eine nicht näher bestimmte „historische und moralische Verantwortung gegenüber Namibia“ ein. Bislang ist sie jedoch weder bereit, den Genozid offiziell einzugestehen, noch willens, die Nachfahren der Opfer in offizieller Form um Entschuldigung zu bitten. Gemeinsam mit anderen NGOs und Gruppen hat AfricAvenir das Bündnis "Völkermord verjährt nicht!" gegründet, um Druck auf die Bundesregierung auszuüben, den Völkermord endlich als solchen anzuerkennen.

Resolution: Völkermord verjährt nicht!

Aufruf an die Mitglieder des Deutschen Bundestages zur Anerkennung und Wiedergutmachung des Völkermordes in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, der heutigen Republik Namibia

Wir – die unterzeichnenden Schwarzen und weißen Initiativen, Organisationen und Institutionen der Zivilgesellschaft – begrüßen das mit der Namibia-Reise des Afrikabeauftragten des Auswärtigen Amtes Anfang Februar 2012 verbundene Einlenken der Deutschen Bundesregierung und die dabei erfolgte Aufnahme von direkten Gesprächen mit Verbänden der Opfer des deutschen Völkermordes von 1904-08. Wir betrachten diese überfällige Bereitschaft zum Dialog mit den Vertretungen der unmittelbar betroffenen Völker als einen ersten unverzichtbaren Schritt auf dem Weg zur Versöhnung zwischen den Menschen in Namibia und Deutschland.
 
Mit dieser Resolution bringen wir unser Mitgefühl für das den namibischen Völkern, insbesondere den Herero, Nama, Damara und San zugefügte Leid zum Ausdruck. Wir sind dankbar für ihre großherzige Bereitschaft zum Gespräch mit den Nachfahren der Täter und erklären uns solidarisch mit ihrem Einsatz für „restorative justice“ – für eine Gerechtigkeit, die nur aus Deutschlands aufrichtiger Bereitschaft zur Wiedergutmachung erwachsen kann. Wir unterstützen ihr Bemühen um eine offizielle Anerkennung des Völkermordes durch den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung. Ausdrücklich stellen wir uns hinter die Forderung der Opferverbände nach ideeller und auch materieller Entschädigung für das ihren Völkern widerfahrene kolonial-rassistische Unrecht sowie für ihre gravierenden Verluste an Hab und Gut.
 
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages fordern wir auf,

  • jeder weiteren Leugnung des nach den Kriterien der UN-Völkermordkonvention von 1948 eindeutig als Genozid zu bewertenden Völkermordes in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ entgegenzuwirken und sich – wie im Falle des Genozids an den Juden – für seine rückwirkende Anerkennung durch Deutschland einzusetzen;
  • die Bundesregierung zu bewegen, den deutschen Selbstverpflichtungen bei der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban 2001 nachzukommen und die Nachfahren der Opfer des deutschen Völkermordes offiziell und unmissverständlich um Entschuldigung für den an ihren Vorfahren verübten Völkermord und die damit einhergehenden Verbrechen gegen die Menschheit zu bitten;
  • den intensiven und regelmäßigen Dialog über die mit einer Versöhnung zusammenhängenden Fragen – wie u.a. über die Aufarbeitung und Wiedergutmachung des von Deutschland zu verantwortenden kolonial-rassistischen Unrechts und seiner bis heute nicht überwundenen gravierenden Folgen für die Nachfahren der Opfer – mit dem Parlament der Republik Namibia und den Opferverbänden aufzunehmen und auf den Beschluss konkreter Maßnahmen ausgerichtet zu führen;
  • die Einrichtung einer Bundesstiftung zur kritischen Aufarbeitung des Genozids und des deutschen Kolonialismus insgesamt sowie zur Förderung postkolonialer Erinnerungskulturen zu beschließen und diese zu beauftragen, u.a.

    • die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Genozid und seinen Folgen im Rahmen namibisch-deutscher Forschungsprojekte zu fördern;
    • die Verbreitung des Wissens über Kolonialismus, Rassismus und ihre Folgen in der deutschen Öffentlichkeit und in den Schulen zu sichern;
    • Austauschprojekte, die zur Versöhnung zwischen den Menschen beider Länder und zur Bekämpfung von Rassismus beitragen, zu fördern;
    • die Dekolonisierung des öffentlichen Raums in Deutschland zu unterstützen (Stopp der fortgesetzten Ehrung für Kolonialverbrecher mit Straßennamen und Denkmälern, stattdessen Würdigung von Persönlichkeiten des afrikanischen Widerstands);

  • die Bundesregierung zur konstruktiven Fortführung der aufgenommenen Gespräche mit der namibischen Regierung und mit den Opferverbänden zu veranlassen;

  • die Bundesregierung zu veranlassen, im Dialog mit der namibischen Regierung und mit den Opferverbänden angemessene materielle und strukturelle Wiedergutmachungsleistungen für die gravierenden ökonomischen Verluste der betroffenen Völker an Land, Vieh und anderem Eigentum zu vereinbaren;

  • die Bundesregierung zu veranlassen, die vereinbarten Wiedergutmachungsleistungen bedingungslos – d.h. ohne Einmischung in die freien Entscheidungen des namibischen Staates und der Opferverbände über deren Verwendung – zu erbringen.

Berlin, den 7. März 2012

Initiativen, Organisationen und Institutionen, die ebenfalls unterzeichnen wollen, wenden sich bitte an: info(at)berlin-postkolonial.de

Hintergrund und Kontext der resolution

Am 30. September 2011 wurden in der Berliner Charité die Gebeine von 20 Herero und Nama – Männer, Frauen und Kinder, die vor mehr als 100 Jahren von weißen Deutschen ermordet wurden – an ihre aus Namibia angereisten Nachfahren übergeben. Es war das erste Mal, dass sich eine deutsche Institution zu einer solchen Herausgabe bereit erklärte. Noch lagern hierzulande Tausende von Gebeinen, die während der Kolonialzeit nach Deutschland verschifft und für menschenverachtende, rassistische und pseudowissenschaftliche Forschungen missbraucht wurden, welche die Gleichwertigkeit von Afrikanerinnen und Afrikanern mit weißen Frauen und Männern negierten.


Wie die meisten der so geraubten Gebeine stammen die im Herbst 2011 zurückgegebenen sterblichen Überreste von Menschen, die sich gegen die Kolonialherrschaft zur Wehr gesetzt haben. Weil sie Widerstand leisteten gegen Unterwerfung, Vergewaltigung, Enteignung und Vertreibung wurde ihnen mit Tausenden weiterer Herero und Nama in den Konzentrationslagern der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ das Leben genommen. Viele Menschen wurden zum Verdursten in die Wüste getrieben, erschossen oder erhängt. Den wenigen Überlebenden wurde ihr Hab und Gut genommen, ihr Land und ihr Vieh wurden konfisziert. In der seriösen historischen Forschung herrscht heute Konsens darüber, dass das Vorgehen der „Kaiserlichen Schutztruppe“ als Genozid zu bezeichnen ist, dem der Vorsatz der Vernichtung zugrunde lag.


Die Deutsche Bundesregierung entzieht sich ihrer historischen Verantwortung als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Zwar räumt sie eine nicht näher bestimmte „historische und moralische Verantwortung gegenüber Namibia“ ein. Bislang ist sie jedoch weder bereit, den Genozid offiziell einzugestehen, noch willens, die Nachfahren der Opfer in offizieller Form um Entschuldigung zu bitten. Mit dem Verweis auf eine „intensive“ deutsch-namibische Entwicklungs- zusammenarbeit (Umfang 2010: 15,80 Euro pro Kopf der namibischen Bevölkerung) wurden bisher jegliche Forderungen nach ideeller und materieller Wiedergutmachung („restorative justice“) für die betroffenen Völker zurückgewiesen. Bis vor kurzem war die Bundesregierung nicht einmal zu direkten Gesprächen mit den Nachfahren der Opfer bereit.


Zum Eklat führte diese verantwortungslose Haltung im Herbst 2011 bei der Übergabezeremonie für die namibischen Gebeine in der Berliner Charité. Nicht nur schob das Auswärtige Amt die Durchführung der Übergabe nahezu komplett an das Universitätsklinikum ab. Als „Gast“ war es bei der bewegenden Zeremonie auch nur mit der sichtlich überforderten Staatsministerin des Auswärtigen Amtes, Cornelia Pieper (FDP), vertreten. Selbst im Angesicht der Opfer des deutschen Kolonialismus kamen ihr das Wort „Völkermord“ und die Bitte um Vergebung nicht über die Lippen. Ohne den Reden der namibischen Gäste zuzuhören, verließ sie unmittelbar nach ihrem Beitrag den Saal.


Schon während der Veranstaltung wurde deutlich, dass die an der Zeremonie teilnehmende Öffentlichkeit nicht bereit sein würde, das moralisch-ethische Versagen der Staatsministerin des Auswärtigen Amtes unwidersprochen hinzunehmen. Vor allem Vertreterinnen und Vertreter der Afrikanischen Diaspora und Schwarze Deutsche reagierten auf die Rede mit Zwischenrufen und stummem Protest. Nach den bewegenden Worten des namibischen Kulturministers Kazenambo Kazenambo sowie den Reden hochrangiger Nama-und Hererovertreter bat abschließend auch die Vertreterin eines Bündnisses verschiedener Schwarzer und weißer Nichtregierungsorganisationen um Entschuldigung für den von Deutschland verübten Genozid – und für das beschämende Verhalten des Auswärtigen Amtes. Wegen seines Einsatzes für einen offenen Dialog zwischen der namibischen Delegation und der deutschen Politik ist das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes in der Folge mehrfach – u.a. im Bundestag – öffentlich attackiert, zurechtgewiesen und diffamiert worden.

Zuletzt hat die Bundesregierung ihre starre Haltung verlassen müssen. Angesichts des Engagements der namibischen Regierung, der Opferverbände der Herero und Nama, des Aktionsbündnisses und Abgeordneter aller Oppositionsparteien in Deutschland wurde Anfang Februar 2012 der Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amtes, Walter Lindner, nach Namibia entsandt. Er entschuldigte sich dort für das Verhalten der Bundesregierung anlässlich der Rückgabe der Gebeine im Herbst 2011. Da er dabei auch mit den Opferverbänden der Herero und Nama zu Gesprächen zusammenkam, wurde eine ihrer Hauptforderungen – die nach direkter Beteiligung am namibisch- deutschen Dialog über den Völkermord und seine Wiedergutmachung – erstmals respektiert.

Special issue: Germany’s genocide in Namibia – Unbearable silence, or How not to deal with your colonial past

The following publication "Germany’s genocide in Namibia – Unbearable silence, or How not to deal with your colonial past" is a cooperation between Pambazuka News and AfricAvenir International. With this publication, we would like to open the debate and invite further articles and contributions on the topic which will - if approved yb the editors - subsequently be published here. 

Dokumentarfilme:

Presseschau zum Thema des deutschen Völkermords

Links & Hintergrundinformationen - Zusammengestellt von Heiko Wegmann, Freiburg Postkolonial

Mitunterzeichner:

  1. Internationale Liga für Menschenrechte e.V., Berlin
  2. Kampagne "Zusammen handeln! Gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung!", Berlin
  3. Quilombo "Eine-Welt" g.e.V., Dresden
  4. Hafengruppe Hamburg
  5. Bochumer Initiative Südliches Afrika
  6. Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA), Heidelberg
  7. NaturFreunde Berlin
  8. glokal e.V., Berlin
  9. Stoffwechsel - Dialoge und Projekte zur Förderung des Menschenrechts auf Bildung e.V., Karlsruhe
  10. Initiative Soundstrike Berlin
  11. AG postkolonial des Engagierte Wissenschaft e.V., Leipzig
  12. Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V., Berlin
  13. ANEE e.V., Berlin
  14. Afrikanews Archiv, Berlin
  15. VideoArtWorld, Berlin
  16. Transnational Decolonial Institute, Berlin
  17. ArtLabour Archives, Berlin
  18. Welt ohne Krieg und Gewalt Deutschland e.V.
  19. ISD Gießen
  20. Afrikanisches Viertel e.V., Berlin
  21. Kawaida e.V., Berlin
  22. Lernen dürfen e.V., Eppstein im Taunus
  23. Projekt ÜBER LEBENSKUNST.Schule, Berlin
  24. Reclaim Society!, Berlin
  25. Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (ASW), Berlin
  26. Initiative für Zivilcourage, München
  27. Zimbabwe Netzwerk e.V., Bielefeld
  28. Organisation des Jeunesses Panafricanistes du Sénégal
  29. Nord Süd Forum München e.V.
  30. Kulturverein Schwarzer Kanal e.V., Berlin
  31. Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I., Berlin
  32. Anti-Bias-Werkstatt, Berlin
  33. FOSA e.V., Freiburg
  34. Bahnhof Langendreer e.V., Bochum
  35. Berlin(er) Colloquium of Color
  36. Bezirksgruppe Bündnis 90/Die Grünen, Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
  37. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
  38. Commit Berlin e.V.
  39. Team am Lehrstuhl Rassismus und Migration, Alice Salomon Hochschule Berlin
  40. Promotionscolloquium Attia, Alice Salomon Hochschule Berlin
  41. Migration Research Group, Humboldt Universität Berlin
  42. AK Wissensproduktionen in der postmigrantischen Gesellschaft, Berlin 
  43. Bildungsinitiative für Westafrika e.V., Berlin
  44. Der Afrikanische Ältestenrat München e.V.
  45. Diversity Committee, Nelson Mandela Schule Berlin
  46. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) Kreisvereinigung Bochum
  47. Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.
  48. Arbeitskreis Bielefeld-Postkolonial
  49. Arbeitskreis Palästina NRW e.V., Bochum
  50. RAA Brandenburg - Demokratie und Integration Brandenburg e.V., Potsdam
  51. ChristInnen für den Sozialismus (CfS), Münster
  52. Redaktion der PERIPHERIE. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, Münster
  53. Migrationsrat in Berlin-Brandenburg
  54. Verbund Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs (VENROB) e.V. 
  55. New Generation e.V., Berlin
  56. Initiaitive "Kolonialismus im Kasten?", Berlin
  57. CulturCooperation e.V., Hamburg
  58. issa - informationsstelle südliches afrika e.V., Bonn
  59. Redaktion der Zeitschrift "afrika süd"
  60. NARUD e.V., Berlin
  61. Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
  62. ISD Berlin 
  63. Barnimer Kampagne "Light me Amadeu", Eberswalde
  64. INKOTA-netzwerk e.V., Berlin
  65. Bündnis gegen Rassismus, Salzwedel
  66. Institut für Migrations- und Rassismusforschung e.V., Hamburg
  67. Interflugs - die autonome Studierendenorganisation der Universität der Künste, Berlin
  68. Namibia-AG der Albert Einstein Oberschule Berlin
  69. AK Hamburg Postkolonial
  70. Pro Afrika e.V., Berlin
  71. Tanzania-Network.de, Berlin
  72. Freiburg-Postkolonial
  73. ICJA Freiwilligenaustausch weltweit e.V.
  74. Adefra, Schwarze Frauen in Deutschland e.V.
  75. wir-frauen e.V., Düsseldorf
  76. Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt, Sachsen-Anhalt
  77. Netzwerk NeRaS, Hamburg
  78. Initiative freedom roads!
  79. Ovaherero Genocide Committee
  80. The Nama Technical Committee
  81. Committee of Keetmanshoop Residents
  82. TCL Workers Committee
  83. Namibia Home Owners Association
  84. Workers Advice Centre
  85. African Labour and Human Rights Centre
  86. Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der  AntifaschistInnen (VVN-BdA)
  87. Kreis der SPD Mitte, Berlin
  88. Projektgruppe "Afrikanisches Viertel", SPD Kreisverband Mitte, Berlin
  89. Bundeskoordination Internationalismus (BUKO)
  90. Bildungswerkstatt Migration & Gesellschaft
  91. Kontakt und Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, Bernau
  92. Demokratisches JugendForum Brandenburg
  93. Colonialism Reparation, Italy
  94. Fachausschuss für Internationale Politik, Frieden und Entwicklung der SPD Berlin
  95. Internationaler Arbeitskreis Berlin e.V. (IAK)
  96. München postkolonial [muc]
  97. Commit to Partnership e.V. München
  98. ARI Berlin - Antirassistische Initiative e.V.
  99. Flüchtlingsrat Berlin e.V.
  100. Hilfsorganisation der Oromo Relief Association (H-ORA) e.V.
  101. Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen VEN e.V.
  102. Schwarzweiss Heidelberg
  103. Eine Welt Netz NRW e.V., Münster
  104. Mädchenmannschaft e.V., Berlin
  105. KommPottPora e. V., Gotha
  106. "BILDUNG-VEREINT" e. V., Gotha
  107. Buntspecht e. V., Gotha
  108. Initiative ausbrechen (Ex-Bürengruppe), Paderborn
  109. frankfurt.postkolonial
  110. Riot Grrrl Berlin
  111. weltweiterdenken e.V., Stuttgart
  112. SOZPÄDAL e.V., Karlsruhe
  113. Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen

Kontakt: Sharon Dodua Otoo sharonotoo(at)isdonline.de & Christian Kopp buero(at)berlin-postkolonial.de, Telefon: 0179-9100976

Auch auf Facebook and Twitter (@restitution4nam)

Download der PDF Version (inkl. Hintergrund der Resolution) 

Einzelpersonen bitten wir, sich in unser Online-Kondolenzbuch für die Opfer des deutschen Völkermords einzutragen.

Gemeinsame Pressemitteilung vom 23. März 2012 nach der Abstimmung

Pressemitteilung: Die Position des OCD-1904 zu dem Genozid-Antrag im Deutschen Bundestag, 29.03.2012

Bundestags-Antrag  "Die deutschen Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika als Völkermord anerkennen und wiedergutmachen" (Drs. 17/8767); Erste Lesung (alle Reden)

Bundestags Antrag (SPD & Grüne) "Die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia stärken und Deutschlands historischer Verantwortung gerecht werden" (Dr. 17/9033(neu)); Schlussdebatte (alle Reden zu beiden Anträgen)

Rede in der Commando Hall des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat, gehalten in Windhoek/Katutura am 28. August 2012: "Wir müssen die Mauern des Schweigens durchbrechen" (original Speech in English)

Hintergrund der Resolution:

Am 30. September 2011 wurden in der Berliner Charité die Gebeine von 20 Herero und Nama – Männer, Frauen und Kinder, die vor mehr als 100 Jahren von weißen Deutschen ermordet wurden – an ihre aus Namibia angereisten Nachfahren übergeben. Es war das erste Mal, dass sich eine deutsche Institution zu einer solchen Herausgabe bereit erklärte. Noch lagern hierzulande Tausende von Gebeinen, die während der Kolonialzeit nach Deutschland verschifft und für menschenverachtende, rassistische und pseudowissenschaftliche Forschungen missbraucht wurden, welche die Gleichwertigkeit von Afrikanerinnen und Afrikanern mit weißen Frauen und Männern negierten.


Wie die meisten der so geraubten Gebeine stammen die im Herbst 2011 zurückgegebenen sterblichen Überreste von Menschen, die sich gegen die Kolonialherrschaft zur Wehr gesetzt haben. Weil sie Widerstand leisteten gegen Unterwerfung, Vergewaltigung, Enteignung und Vertreibung wurde ihnen mit Tausenden weiterer Herero und Nama in den Konzentrationslagern der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ das Leben genommen. Viele Menschen wurden zum Verdursten in die Wüste getrieben, erschossen oder erhängt. Den wenigen Überlebenden wurde ihr Hab und Gut genommen, ihr Land und ihr Vieh wurden konfisziert. In der seriösen historischen Forschung herrscht heute Konsens darüber, dass das Vorgehen der „Kaiserlichen Schutztruppe“ als Genozid zu bezeichnen ist, dem der Vorsatz der Vernichtung zugrunde lag.


Die Deutsche Bundesregierung entzieht sich ihrer historischen Verantwortung als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Zwar räumt sie eine nicht näher bestimmte „historische und moralische Verantwortung gegenüber Namibia“ ein. Bislang ist sie jedoch weder bereit, den Genozid offiziell einzugestehen, noch willens, die Nachfahren der Opfer in offizieller Form um Entschuldigung zu bitten. Mit dem Verweis auf eine „intensive“ deutsch-namibische Entwicklungs- zusammenarbeit (Umfang 2010: 15,80 Euro pro Kopf der namibischen Bevölkerung) wurden bisher jegliche Forderungen nach ideeller und materieller Wiedergutmachung („restorative justice“) für die betroffenen Völker zurückgewiesen. Bis vor kurzem war die Bundesregierung nicht einmal zu direkten Gesprächen mit den Nachfahren der Opfer bereit.


Zum Eklat führte diese verantwortungslose Haltung im Herbst 2011 bei der Übergabezeremonie für die namibischen Gebeine in der Berliner Charité. Nicht nur schob das Auswärtige Amt die Durchführung der Übergabe nahezu komplett an das Universitätsklinikum ab. Als „Gast“ war es bei der bewegenden Zeremonie auch nur mit der sichtlich überforderten Staatsministerin des Auswärtigen Amtes, Cornelia Pieper (FDP), vertreten. Selbst im Angesicht der Opfer des deutschen Kolonialismus kamen ihr das Wort „Völkermord“ und die Bitte um Vergebung nicht über die Lippen. Ohne den Reden der namibischen Gäste zuzuhören, verließ sie unmittelbar nach ihrem Beitrag den Saal.


Schon während der Veranstaltung wurde deutlich, dass die an der Zeremonie teilnehmende Öffentlichkeit nicht bereit sein würde, das moralisch-ethische Versagen der Staatsministerin des Auswärtigen Amtes unwidersprochen hinzunehmen. Vor allem Vertreterinnen und Vertreter der Afrikanischen Diaspora und Schwarze Deutsche reagierten auf die Rede mit Zwischenrufen und stummem Protest. Nach den bewegenden Worten des namibischen Kulturministers Kazenambo Kazenambo sowie den Reden hochrangiger Nama-und Hererovertreter bat abschließend auch die Vertreterin eines Bündnisses verschiedener Schwarzer und weißer Nichtregierungsorganisationen um Entschuldigung für den von Deutschland verübten Genozid – und für das beschämende Verhalten des Auswärtigen Amtes. Wegen seines Einsatzes für einen offenen Dialog zwischen der namibischen Delegation und der deutschen Politik ist das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes in der Folge mehrfach – u.a. im Bundestag – öffentlich attackiert, zurechtgewiesen und diffamiert worden.


Zuletzt hat die Bundesregierung ihre starre Haltung verlassen müssen. Angesichts des Engagements der namibischen Regierung, der Opferverbände der Herero und Nama, des Aktionsbündnisses und Abgeordneter aller Oppositionsparteien in Deutschland wurde Anfang Februar 2012 der Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amtes, Walter Lindner, nach Namibia entsandt. Er entschuldigte sich dort für das Verhalten der Bundesregierung anlässlich der Rückgabe der Gebeine im Herbst 2011. Da er dabei auch mit den Opferverbänden der Herero und Nama zu Gesprächen zusammenkam, wurde eine ihrer Hauptforderungen – die nach direkter Beteiligung am namibisch- deutschen Dialog über den Völkermord und seine Wiedergutmachung – erstmals respektiert.

Mitgliedsgruppen des Bündnisses:

 
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