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Prince Kum'a Ndumbe III.: Abgabe der Hinterlassenschaft eines Afrikaners an die Stadt Berlin

Prinz Kum’a Ndumbe III. aus Kamerun, Universitätsprofessor, Gründer der Stiftung AfricAvenir International, Schriftsteller und Autor von Sachbüchern, kam von der Universität Yaoundé I 1987 nach Berlin, liess sich an der Freien Universität Berlin 1989 habilitieren, übernahm die Lehrstuhlvertretung Politik Afrikas mehrere Jahre, bis die Stelle in einem dramatischen Stil gestrichen wurde. Alle Türen wurden für ihn von da ab in Deutschland versperrt.

Seine schriftstellerische Zusammenarbeit mit Jean Paul Sartre, Heinrich Böll, Bernt Engelmann und  Hans Christoph Buch u.a. haben es nicht erlaubt, dass er als Autor mit 150 Veröffentlichungen in vier Sprachen in Deutschland Fuß fasst und sichtbar wird, obwohl er international verschiedene Preise verliehen bekam.

Als Rentner mit unbedeutendem Einkommen verlässt er  Berlin, um woanders würdig überleben zu können. Er hinterlässt jedoch für die Stadt ein Erbe als Afrikaner, das er zu Händen des Regierenden Bürgermeisters von Berlin der Stadt  übergeben möchte:

  • 20 Bücher, die er in vier Sprachen von 2005-2013 mit deutschen ISBN Nummern veröffentlicht hat
  •  die deutsche Sektion der Stiftung AfricAvenir International, die im Jahr 2000 in Berlin gegründet wurde, und als eine Plattform des Austausches, des Dialogs und der Vielfalt in Berlin sich etabliert hat und den Bürgern die Vision eines aufbrechenden Afrikas näher bringen will.  

 

Brief von Prinz Kum’a Ndumbe III., Universitätsprofessor, Emeritus
c/o AfricAvenir International e.V.
Kamerunerstr. 1
13351 Berlin
ndumbe3@africavenir.org
Berlin, den 1. November 2013

An den Regierenden Bürgermeister von Berlin
Herrn Klaus Wowereit

Betreff: Abgabe der Hinterlassenschaft eines Afrikaners an die Stadt Berlin

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
Ich schreibe Ihnen vom Haus der Spichernstraße aus, wo Bertold Brecht und Helene Weigelt gewohnt haben, Brecht die Dreigroschenoper schrieb, bevor sie beide 1933 nach Amerika emigrierten. Ich wohne bei meinem Sohn Ménès Kum. Als afrikanischer Schriftsteller, Dramaturg, Hochschullehrer und Denker, der nach Kolonialzeit, Diktatur und Emigration den Dialog mit Berlin und Deutschland seit fünfzig Jahren manchmal verzweifelt gesucht hat, bitte ich Sie zu erlauben, dass ich Ihnen auf diesem Weg meinen bescheidenen Beitrag als Hinterlassenschaft eines Afrikaners an die Stadt Berlin übermittle:

Das in Berlin konstituierte und zu übermittelnde afrikanische Erbe an die Berliner
1. Von meinen 150 internationalen Publikationen sind in Berlin entstanden:  20 Buchtitel in deutscher, französischer, englischer, duala und ewondo Sprache, die von mir als Schriftsteller und Wissenschaftler in Berlin zwischen 2005-2013 veröffentlicht wurden (Päckchen anbei) www.exchange-dialogue.com.

2. Ein Verein zur interkulturellen Begegnung und zum Abbau von Konflikten zwischen Völkern, Ländern und Kontinenten, die Berliner Sektion der Stiftung AfricAvenir International, in Berlin im Jahre 2000 als AfricAvenir International e.V. eingetragen (Flyers anbei).

3. Zur nachhaltigen Förderung der Toleranz, Vielfalt, Interkulturalität und des friedlichen Miteinander in Berlin ersuche ich Sie höflich, diesen hochkarätigen afrikanischen Beitrag Berliner Schulen, Universitäten, Bibliotheken und kulturellen Institutionen als Paket jeweils zur Verfügung zu stellen.

Begründung dieser Abgabe
1. 1987 kam ich nach Berlin, um zu forschen und mich an der Freien Universität Berlin habilitieren zu lassen. Der Regierende Bürgermeister von Berlin bemühte sich damals, mir einen Arbeitsplatz an der TU-Berlin für meine Habilitationsforschung und eine würdige Wohnung an der Wiesbadener Straße 18 zu finden.

1989 wurde ich am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft im ersten Durchgang habilitiert und lehrte dort in Lehrstuhlvertretung bis 2001/2002, als der Lehrstuhl unter dem Vorwand der Sparmaßnahmen und Restrukturierung umgewidmet wurde. StudentInnen, BürgerInnen und Medien waren empört, aber machtlos.

Von da an wurden plötzlich alle Türen in Berlin und Deutschland für mich systematisch versperrt, in der Lehre, Wissenschaft, Forschung, in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Expertise, Publizistik und sogar in den Medien. Dauerhafte Arbeitslosigkeit, strukturelle Gewalt, Demütigung, Krankheit, Schuldenberg und Ausweglosigkeit wurden für mich wie ein angehaftetes Los in der wiedervereinten aufstrebenden Stadt Berlin. Ich harrte aus und verabschiedete mich nur, wenn ein Überleben nicht mehr möglich war.

Meine letzte Wohnung gab ich am 3. September 2009 in Neukölln auf, sie war Krebs gefährdend verseucht, und ich stellte keinen Antrag, um Sozialhilfeleistungen zu empfangen, auch jetzt nicht, als Rentner mit 328 €. Dennoch hatte ich mir fest vorgenommen, auf alle Fälle ein nachhaltiges Erbe an die deutschen Bürger zu hinterlassen. Auf der Frankfurter Buchmesse präsentierte ich dann 2009 meine in deutscher Sprache verfasste Anthologie von 11 Büchern, bestehend aus Erzählungen, Theaterstücken, Essays und wissenschaftlichen Abhandlungen, die seit 2005 nach und nach veröffentlicht wurden. Deutsch verfasste Promotions- und Habilitationsschriften wurden schon vor 1999 veröffentlicht.

In der heutigen Sendung schenke ich der Stadt Berlin 11 Bücher in deutscher Sprache, 6 in Französisch, 2 in Duala/Ewondo/Französisch und 1 in Englisch mit meiner Handschrift. 20 Bücher mit deutschen ISBN Nummern also, die in meiner äußerst schwierigen Berliner Zeit veröffentlicht wurden. Diese Veröffentlichungen wurden nur dank einer solidarischen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe mit deutschen, europäischen und afrikanischen Freunden ermöglicht.

2.- Meine deutschen StudentInnen der FU-Berlin, die verzweifelt versucht hatten, mich als Lehrer zu behalten, riefen schon 2000 in Berlin eine deutsche Sektion meiner 1985 in Kamerun gegründeten Stiftung AfricAvenir International ins Leben und feierten 2010 ein zehnjähriges Jubiläum in Berlin www.africavenir.org. AfricAvenir International e.V. setzt sich zum Ziel, mit Afrika und nicht über „Afrika“ zu sprechen, und Räume für afrikanische Perspektiven in der Berliner und der deutschen Öffentlichkeit zu schaffen. Afrikanische Intellektuelle und KünstlerInnen werden zu verschiedenen Veranstaltungsformen eingeladen, in denen sie ihre Arbeiten und Ideen vermitteln und mit dem Publikum diskutieren können. Das trägt dazu bei, vorherrschende Klischees über Afrika dialogisch abzubauen und Deutschen und Berliner BürgerInnen ein neues Fenster zur eigenen nachhaltigen Lebensbereicherung zu öffnen. 2013 behauptet sich die deutsche Sektion von AfricAvenir International als eine etablierte Plattform des Austausches, der Interkulturalität und der Vielfalt in Berlin. Ich bin sehr dankbar, dass ich in meiner Berliner Zeit zu diesem hier anvertrauten Erbe mit afrikanischem Hintergrund beitragen konnte.

3. In Namibia hat einer meiner ehemaligen Berliner Studenten am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft eine namibische Sektion der Stiftung AfricAvenir International in Windhuk ins Leben gerufen, und fördert regelmäßig und mit Professionalität den internationalen Dialog durch afrikanische Filme.

Art der Verfügungsstellung dieses anvertrauten Erbes eines aus Afrika stammenden Schriftstellers und Wissenschaftlers in Berlin
1. Berliner Schulen, Universitäten und Kulturinstitutionen sollen jeweils 1 Kopie der in vier Sprachen verfassten und in Berlin veröffentlichten 20 Bücher des aus Afrika stammenden  Autors Kum’a Ndumbe III. von der Stadt Berlin geschenkt bekommen. 11 dieser Bücher sind original in Deutsch verfasst.  

2. AfricAvenir International e.V. in Berlin soll mit diesen Institutionen, welche sich diese Bücher angeeignet haben, Projekte der Vielfalt, Interkulturalität und des friedlichen Miteinander durchführen. In Österreich wurde 2012 vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur eine ähnliche Herangehensweise mit diesen Büchern unter dem Thema „Das Eigene und das Fremde“ initiiert http://www.africavenir.org/projects-austria.html.

Herr Regierender Bürgermeister von Berlin,
bitte verlassen Sie sich auf die literarische und wissenschaftliche Qualität dieses Ihnen hier anvertrauten Erbes für Ihre Stadt. Ich war zehn Jahre lang Präsident des Kamerunischen Schriftstellerverbandes und neun Jahre Vize-Präsident des Schriftstellerverbandes zentralafrikanischer Staaten. 1982 wurde ich nach Köln eingeladen, um gemeinsam mit Heinrich Böll, Bernt Engelmann und vielen anderen Schriftstellern über dieses Motto nachzudenken: "Es geht, es geht: zeitgenössische Schriftsteller und ihr Beitrag zum Frieden - Grenzen und Möglichkeiten“ . Nach Berlin wurde ich von Hans-Christoph Buch im Mai 1988 eingeladen, als europäische Schriftsteller zusammen kamen, um über das Thema „Ein Traum von Europa“  zu diskutieren und Konzepte zur gegenseitigen Annäherung der europäischen Nationen zu erstellen. Ich hielt einen Vortrag mit dem Titel: „Damit ein Traum von Europa kein Alptraum für die Welt wird“. Daniel Cohn-Bendit moderierte meine Rede, und die Schriftstellerin May Ayim sprang zum Podium über und umarmte mich.

An der Universität Lyon II wurde ich 1975 mit einem doppelten Doktortitel ausgezeichnet und auf Grund meiner Forschungen über die Afrikapolitik des Nationalsozialismus in das Internationale Komitee für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs aufgenommen, wo ich als noch nicht Dreißigjähriger mit Generälen, die den Zweiten Weltkrieg geführt hatten, und mit hochrangigen Professoren aus der ganzen Welt zusammen saß. Ich verfasste im Auftrag der Zeitschrift „Das Parlament“ eine Studie auf Deutsch über „Nationalsozialismus und Apartheid“, die Veröffentlichung wurde verweigert, Jean Paul Sartre bat mich daraufhin, eine französische Kurzfassung zu erstellen, die er dann 1973 in Paris herausbrachte.  Erst 2006 konnte diese Studie deutschen Bürgern zugänglich gemacht werden.  

Als habilitierter Professor habe ich sehr viele deutsche, europäische, kamerunische und afrikanische StudentInnen und ForscherInnen betreut und begleitet und Austauschprogramme zwischen Deutschland und Kamerun ermöglicht.
2013 wurde ich in Atlanta, USA in die „Inaugural Hall of Fame“ (Tempel der Berühmtheiten) durch die amerikanischen Institutionen „A.D. King Foundation“ und „African Diaspora World Tourism Award“ neben Harry Belafonte, Muhammad Ali, Danny Glover, Congressman James Clyburn, Ambassador Andy Young, Coretta Scott King und Rep. John Lewis feierlich eingeführt, und ich bekam die Medaille des „Outstanding Culture and Heritage Scholar 2013“ .

Sie können sich deshalb auf die Qualität und Autorität der hier entsandten Schriften verlassen.

Es war vielleicht ein Fehler, dass ich mich nicht damit begnügt hatte, nur ab und zu als Gast zu kommen und herzlich begrüßt zu werden, sondern dass ich geglaubt hatte, als Afrikaner in Berlin Schriftsteller, Professor, Forscher und sozialer Mitgestalter bleiben und mitmischen zu können.

Heute gehe ich, zumal ich als Rentner mir kein Zimmer in dieser Stadt leisten kann, ohne in die Sozialhilfefalle zu geraten. Ich hinterlasse aber ein persönliches Erbe, das ich Ihnen als Regierenden Bürgermeister von Berlin anvertraue, damit sich diese Stadt auch einer soliden afrikanisch geprägten Grundlage für Toleranz, Vielfalt und Prävention gegen gewaltsam ausgetragene Konflikte bedienen kann.
Mit vorzüglicher Hochachtung!

Prinz Kum’a Ndumbe III.
Universitätsprofessor, Emeritus

Anlage:

  • 20 Bücher vom Autor Kum’a Ndumbe III.
  • Liste der 20 übergebenen Bücher an die Stadt Berlin
  • Flyers von der Fondation AfricAvenir International Douala/Kamerun und von AfricAvenir International e.V. Berlin

Kopie an:

  • Verband deutscher Schriftsteller
  • AfricAvenir International e.V., Berlin
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