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Pressemitteilung der NGO-Bündnisse „Völkermord verjährt nicht!“ und „Decolonize Mitte“ vom 18.03.2016: "Kolonialismusdebatte: Berlin-Mitte beschämt den Bund"

Entschuldigungen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages für Völkermord an den Herero und Nama bleiben erneut aus. Doch in Berlin-Mitte werden ab 2017 an Stelle von Kolonialverbrechern drei Persönlichkeiten des afrikanischen Widerstands geehrt.

Die zivilgesellschaftlichen Bündnisse „Völkermord verjährt nicht!“ und „Decolonize Mitte“ kritisieren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dafür, die von DIE LINKE initiierte gestrige Debatte zum Genozid der kaiserlichen „Schutztruppe“ an den Herero und Nama wieder nicht dafür genutzt zu haben, die Nachfahren der Opfer förmlich um Vergebung zu bitten. Angesichts der bereits im letzten Jahr erfolgten Anerkennung des deutschen Völkermords 1904-08 durch alle Fraktionen ist das Ausbleiben einer offiziellen Entschuldigung durch den Bundestag durch nichts zu rechtfertigen. Die Bündnisse fordern eine breite öffentliche Debatte zum deutschen Kolonialismus. Sie kritisieren die Bundesregierung für ihre intransparenten Verhandlungen über Wiedergutmachung mit der Regierung Namibias, von denen nicht nur die Parlamente sondern sogar die Vertretungen der betroffenen Herero und Nama ausgeschlossen sind.
 
Demgegenüber begrüßen die NGO-Bündnisse den von einer großen Mehrheit der Bezirksverordneten von Berlin-Mitte getragenen Beschluss, die nach den Begründern der ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika benannten Straßen Petersallee, Lüderitzstraße und Nachtigalplatz 2017 zu Ehren von Persönlichkeiten aus dem afrikanischen Widerstand umzubenennen. Der Beschluss greift die seit über 10 Jahren von zahlreichen afrikanischen, Schwarzen und entwicklungspolitischen Organisationen erhobene Forderung nach der Dekolonisierung des öffentlichen Raums und speziell des größten deutschen Kolonialviertels im Stadtteil Wedding auf. Die Bündnisse betrachten dies als entscheidenden Schritt zur Umwandlung des „Afrikanischen Viertels“ zu einem kolonialkritischen „Lern- und Erinnerungsort“ sowie als wichtiges Zeichen gegen Rassismus.
 
Christian Kopp vom Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ sagt: „Die gestrige Bundestagsdebatte zum mittlerweile anerkannten Genozid an den Ovaherero und Nama war unwürdig. Statt sich vor den Opfern zu verbeugen, bestritten vor allem die Sprecher_innen der CDU/CSU jede Verpflichtung zur Entschädigung der 1904-08 vertriebenen und enteigneten Herero und Nama. Ihre Diffamierung der Opfervertretungen als gewinnsüchtig, ihre wiederholten Verweise auf Deutschlands Mittel für staatliche Entwicklungszusammenarbeit und ihre öffentlichen Ratschläge zu deren Einsatz in Namibia waren beschämend. Historisches Verantwortungsbewusstsein sieht anders aus.“
 
Moctar Kamara, Vorsitzender des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland, sagt zum Beschluss der BVV Berlin-Mitte: „Wir begrüßen die Entscheidung des Bezirks und werten sie als Erfolg unseres jahrelangen Engagements zur Aufklärung über die Kolonialzeit und gegen Rassismus in der Gegenwart. Die geplante Würdigung afrikanischer Persönlichkeiten des Widerstands mit Straßennamen begreifen wir als späte Anerkennung ihres gerechten Kampfes gegen die europäische Fremdherrschaft. Den gleichen Schritt des Bezirkes wünschen wir uns auch für die rassistische Bezeichnung „Mohrenstraße“, welche die Würde von Menschen afrikanischer Herkunft seit über 300 Jahren verletzt.“
 
Kontakt:

Moctar Kamara, Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland, 015217252968, info(at)zentralrat-afrikagemeinde.de

Christian Kopp, Berlin Postkolonial, 01799100976, buero(at)berlin-postkolonial.de

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