Kameruns Kulturerbe kehrt heim (Lesetipp)
Der Tangué, Schiffsschnabel der Duala aus dem 19. Jahrhundert. Das Objekt wurde 1884 aus dem Haus des Herrschers Kum’a Mbape Bell entwendet.Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0
Montag, 12. Februar 2024, Berliner Zeitung
Kameruns Kulturerbe kehrt heim
40.000 Kunstschätze des afrikanischen Staates lagern in deutschen Museen. Jetzt wird die Rückgabe möglich – auf andere Art als gedacht
MARITTA TKALEC
Das nächste große Ding in Sachen Befreiung Deutschlands von kolonialem Raubgut steht bevor. Diesmal betrifft es nicht durch Hehlerei erlangte britische Beute aus Nigeria (die Benin-Bronzen), sondern Schätze aus der deutschen Kolonie Kamerun. Dort waren deutsche Schatzjäger die ersten; sie waren zielgerichtet unterwegs und daher besonders erfolgreich. 40.000 den lokalen Gesellschaften „genommene“ Objekte lagern in deutschen Museen, wie erst jetzt festgestellt wurde. Einige stehen in Ausstellungsvitrinen; die Mehrzahl lagert jedoch unbeachtet, entwurzelt und funktionslos in Depots.
Die deutschen Beutegreifer fanden wundervoll ausgestattete Völkerschaften vor und hinterließen kulturell geplünderte Landschaften. Jetzt steht fest: Es wird erste Restitutionen geben. Nicht nur das ist bemerkenswert: Auch im Umgang zwischen deutschen Museen und den sogenannten Herkunftsgesellschaften hat sich Grundlegendes geändert. Er wird dekolonialisiert.
Was war das für eine Aufregung in Deutschland, als die Benin-Bronzen vor fast einem Jahr vom Staat Nigeria an den König von Benin weitergegeben wurden – anstatt sie, wie angeblich vereinbart, in einem wohlklimatisierten Museum nach europäischem Muster auszustellen! 20 dieser herrlichen Objekte hatten Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth, beide Grüne, höchstpersönlich mit Regierungsflugzeug und erweitertem Hofstaat nach Afrika zurückbegleitet – stolz darauf, alles anscheinend richtig gemacht zu haben. Und dann beschließt der Staat Nigeria, alles dem König von Benin zu überlassen – dem legitimen Nachfahren der ursprünglichen Eigentümer. Man hielt den Oba wohl für eine Art Privatmann. Es folgte ein deutscher Reflex: Wie können die es wagen? Das ZDF fragte: „War das naiv?“ und der Tagesspiegel sorgte sich: „Ist da noch was zu retten?“
Der Fall steht als Lehrbeispiel für hochkomplexe Verhandlungen, die seit einem Jahr zwischen Kamerun, von 1882 bis 1914 deutsche Kolonie, und den deutschen Verwaltern des kamerunischen Kulturerbes laufen. Eine kamerunische Delegation hat in der zweiten Januarhälfte sieben deutsche Museen, darunter in Berlin das Ethnologische Museum im Humboldt-Forum, besucht. Neben Vertretern der Regierung, des Nationalmuseums und des Nationalarchivs gehörten der Delegation auch vier Repräsentanten mehrerer Königshäuser und traditioneller Gemeinschaften an.